FBI National Academy (USA) 2016

Woche 6

Presidents‘ Day und New York – Woche

15.02.2016

Ich wache um 07:30 Uhr auf, schaue aus dem Fenster … und sehe Schnee, soweit das Auge reicht. Dies scheint nicht nur für mich überraschend gekommen zu sein, denn sowohl die Counselor als auch meine Mitstudenten müssen ad hoc all ihre Pläne für heute canceln. Die Base hat wie bereits beim Blizzard im Januar Code Red ausgelöst, damit ist der normale Betrieb eingestellt, nur noch Notfallpersonal darf das Gelände betreten. Minütlich trudeln außerdem Mails und Messenger-Nachrichten von den Domestic Students ein, denen die für den heutigen Tag vorgesehenen Flüge zurück nach Washington gestrichen wurden. Teilweise hängen die Kolleginnen und Kollegen auch an Anschlussflughäfen in den USA fest, kommen nicht weiter und müssen sich zumindest für die kommmende Nacht um Logis bemühen.

Meine heutige Frühstücksgemeinschaft, bestehend aus den beiden FBI Counselorn Keith Moses und Mike Siegling sowie den beiden europäischen Internationals Lieutenant Colonel Maris Geida (Leiter des International Cooperation Department of the State Police in Lettland) und Major Apostolos Myronidis (Hellenic National Police), nimmt es mit Humor. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig, gegen das Wetter hat man hier noch nichts erfunden.

…anders als die Schwaben, die der Legende nach und falls sich noch jemand an diese Samstagabend – Vorabendserie aus den 1980er-Jahren erinnern kann, zumindest das Gewitter gut in den Griff bekommen haben (http://www.karl-auberle.de/folgen/blitzfaust.html)! Falls nicht, hier eine kleine Erinnerung, die „Blitzfaust“ war leider nicht aufzutreiben: https://www.youtube.com/watch?v=-AgrGA-i2Cw

Maris berichtet mir von seiner Tätigkeit in Lettland, die als Leiter des Büros für Internationale Beziehungen im lettischen State Police Department in Riga von einer sehr regen Reisetätigkeit geprägt ist. Längerfristige Auslandsaufenthalte sind für ihn nichts Ungewöhnliches, zumal sich die polizeiliche Zusammenarbeit in der europäischen Union gerade auch mit den baltischen Staaten deutlich intensiviert hat. Wir nutzen das gemeinsame Frühstück zum Austausch unserer Erfahrungen in diesem Bereich.

Die Botschaft in den Glückskeksen, die in der Cafeteria im Asian Food – Bereich bereitliegen und die wir zum Abschluss gemeinsam öffnen, ist trotz des Wetters durchaus verheißungsvoll:

Ich versuche, das Beste aus dieser Vorhersage zu machen. Sehr bedauerlich ist, dass ich am Presidents‘ Day nun doch nicht nach Mount Vernon komme. Auch Apostolos hat starkes Interesse und wir beide hoffen, dass der Besuch in dem nun immer enger werdenden zeitlichen Korsett noch Platz findet.

Am Abend treffe ich Harry Polis / Richland County Sheriff’s Department South Carolina, um ihm ein Ärmelabzeichen der baden-württembergischen Polizei übergeben. Es ist nicht für ihn, sondern für den erst wenige Monate alten Sohn eines in den letzten Wochen in den USA im Dienst getöteten Kollegen bestimmt, der neben der trauernden Witwe zurückbleibt. Die Kolleginnen und Kollegen des Verstorbenen haben sich zum Ziel gesetzt, von jedem Angehörigen der 263. Session der NA ein Patch zu erhalten und diese dann gesammelt den Hinterbliebenen zu übergeben.

16.02.2016

Genauso schnell, wie sich die Wetterlage gestern zugespitzt hat, beruhigt sie sich heute wieder. Ab 10:00 Uhr herrscht wieder Normalbetrieb auf der Base und so geht auch der Kursbetrieb an der FBI Academy ab diesem Zeitpunkt wieder seinen normalen Gang. Beth Coleman bereitet das Stanford Prison Experiment nach, der Nachmittag wird zunächst von Buddy McGinnis Jr. gestaltet, der ein neues Themenfeld präsentiert: Firearms and Toolmarks Examination.

Einleitend zeigt er passend zum Thema folgendes, kleines Video über einen in Schützenkreisen in den USA sehr berühmten Herrn:

Code Red auf der Base am 15.02.2016 – Nichts geht mehr.

Jerry Miculek – World Record

Jerry Miculek ist Werbe-Ikone der US-Waffenschmiede Smith & Wesson und hält einige beeindruckende Weltrekorde in der gezeigten Art. Er stammt – ich hatte es fast erwartet – aus einem großen US-Bundesstat an der Grenze zu Mexiko und ist Teilen der Domestic Students aus den Südstaaten persönlich bekannt. Die Vorlesung an sich vertieft und ergänzt mein Basiswissen zum Bereich Schusswaffenanalytik und Werkzeugspurensicherung um die amerikanische Sicht auf diese Aspekte, auch hier werden wieder die optimalen Laborbedingungen des FBI offenbar.

E. J. O’Malley erwartet uns im Vorfeld der morgigen Challenge mit einem 60-minütigen Zirkel und einem der Motivationsshirts der Physical Training Unit des FBI :-), die heutige Veranstaltung findet im so genannten Field House statt.

Das Programm des Zirkels kann den Impressionen der 6. Woche entnommen werden. Das daneben stehende Auto ist im Übrigen nicht der Preis für den hartnäckigsten NA-Studenten, es dient vielmehr zu Ausbildungszwecken für die Special Agents im Basic Training. Eine überdimensionale Handschließe, die sich ebenfalls im Field House befindet, dient zur Verdeutlichung der Funktionsweise des Schließmechanismus. Aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen zeige ich hier lediglich die verschlossene Seite, auf der anderen Seite ist die Technik vollständig einsehbar.

Mehrere interessante Gespräche führe ich heute u. a. mit Major Diaz Basilio Sanchez von der Policia Nacional De Panama. Die Möglichkeit zum Austausch mit einem Zentralamerikaner zu polizeilichen Führungsthemen ist einzigartig. Da wir zusammen im Leading At-Risk Employees – Course sitzen, geht es heute ganz konkret z. B. um Suchtproblematiken in der Polizei des 3,3 Millionen Einwohner zählenden, zwischen Costa Rica und Columbien liegenden Staates.

Wicked Witch Hunt

Challenge – Motto

17.02.2016

Die Challenge des heutigen Tages ist die aus drei Teilen bestehende, so genannte „Wicked Witch Hunt“, wobei Judy Garlands‘ Begegnung mit der Wicked Witch of the West 1939 folgendermaßen adaptiert wird:

https://www.youtube.com/watch?v=Leb83bRkXDg

Nicht in rubinroten sondern in blauen Sportschuhen mache ich mich um 09:35 Uhr auf, um ein möglichst optimales Ergebnis zu erzielen. Folgendes ist verlangt:

Bemerkenswert ist die Unmenge an Kraft, die einem das fünfminütige Schieben eines Sandsacks raubt und deren Fehlen das an sich eher harmlose Folgeprogramm zu einem interessanten Problem werden lässt. Der gesamte Ablauf nimmt ungefähr 25 Minuten in Anspruch und hat einen Außenanteil, der entlang der Hoover Road, vorbei an der DEA Acadamy, dem FBI Forensics Lab sowie der Hogan’s Alley zurück auf das Gelände der FBI Academy führt. Mein Dauerwettkampf mit Matt geht heute leider verloren, ein US Marine ist im Außengelände einfach besser 🙂 – Zur Erholung trabe ich danach für 30 Minuten ohne Wettkampfbedingungen auf dem Laufband dem Mittagessen entgegen.

Unmittelbar vor selbigem fahre ich zusammen mit Jeremy zunächst noch zu dem auf der Base gelegenen und bereits in der Berichterstattung der letzten Woche erwähnten PX, da mein texanischer Roommate einen Haarschnitt benötigt. Das nur durch die Angehörigen des Marine Corps und der FBI Academy betretbare Einkaufszentrum beherbergt neben dem eigentlichen PX Store zahlreiche weitere, typische amerikanische Geschäfte und auch die entsprechende Gastronomie. Einen Barber Shop zu finden fällt dort nicht schwer und die Wartezeit ist kurz, da den tätigen Friseuren selten Herrenhaarschnitte abverlangt werden, die sich wesentlich von diesem unterscheiden:

Dafür ist es günstig, für 9 Dollar ist man mit modisch-modernem Chic dabei. Wie auf den Bildern dieses Blogs unschwer zu erkennen ist, habe ich die Friseurzeiten leider schon hinter mir lassen müssen, zu gerne hätte ich mal auf dem Stuhl eines Marine – Barber Platz genommen 🙂

Ein paar Minuten braucht das Ganze dennoch und ich habe Gelegenheit, den PX zu inspizieren. Da wir auf der Base bleiben, trage ich dort natürlich die NA-Uniform und werde nach weniger als zwei Minuten von einem Absolventen der 239. Session angesprochen, der ebenfalls durch den Laden flaniert und als Angehöriger des Naval Criminal Investigation Service an der NA teilgenommen hatte (wie passend, wird das heutige Enrichment doch durch den amtierenden Direktor des NCIS gestaltet, einer US Navy – Ermittlungsbehörde, die es durch die gleichnamige Fernsehserie zu weltweiter Bekanntheit gebracht hat). Ähnlich den in den USA an zivilen und polizeilichen / militärischen Fortbildungseinrichtungen weit verbreiteten „Jahrgangsringen“ (auch an der FBI Academy werden solche ausgegeben) funktioniert die Uniform als guter „Konversationsstarter und -katalysator“, dies ist mir hier schon mehrfach aufgefallen. Erstehen kann man in dem Laden so ziemlich alles, was das Herz begehrt. Auffällig ist, dass auch das US Marine Corps – ähnlich wie das FBI – es auf vorzügliche Art und Weise verstanden hat, die hohe Identifikation mit der Einrichtung in der Bevölkerung mit einem Brand Building zu flankieren, das weltweit sicher einmalig ist.

Um 14:00 Uhr versammelt sich die Session im Forum, da das Auditorium für die Generalprobe der morgigen Graduierungszeremonie des in Bälde in die Freie Wildbahn strebenden Jahrgangs frisch gebackener Special Agents benötigt wird. Director of the NCIS (http://www.ncis.navy.mil/Pages/publicdefault.aspx), Special Agent Andrew L. Taver, stellt die Strafverfolgungsbehörde des United States Department of the Navy vor, die er leitet. Die gesamte Einrichtung ist mit rund 2.500 Bediensteten in etwa so groß wie das Polizeipräsidium Stuttgart. Ihre Aufgabe: „The NCIS mission is to investigate and defeat criminal, terrorist, and foreign intelligence threats to the United States Navy and Marine Corps – ashore, afloat, and in cyberspace“.

Neben dem fachlichen Input und dem Networking sind die Enrichments inhaltlich und ihrer Besetzung bislang wirklich herausragend! Auch die nächste Woche verspricht einen absoluten Hochkaräter: Der Navy SEAL mit dem Pseudonym Mark Owen, der in der Operation „Neptune’s Spear“ eingesetzt war, die 2011 mit dem Tod des einst meistgesuchten Terroristen der Welt – Osama bin Laden – endete, wird aus seiner Sicht zu den damaligen Geschehnissen berichten. Owen gilt als einer der wesentlichen Beteiligten, die bei der Erstürmung von Bin Ladens einstigem Anwesen in Abbottabad / Pakistan zugegen waren. Er hat in seiner kontrovers diskutierten Autobiographie „No Easy Day“, die am 11. September 2012 (exakt elf Jahre nach den Terroranschlägen in New York und Washington) erschienen war, schriftlich aus seiner Perspektive zu dem Einsatz berichtet.

18.02.2016

Es ist 20:00 Uhr, ich sitze am Schreibtisch und lasse einen unaufgeregten Tag Revue passieren, außer einem kurzen Überblick über die heutigen Vorlesungen gibt es nur wenig zu berichten. FBI Director James Comey verabschiedet den Special Agents – Jahrgang und da sich die Zeremonie auf Grund der zahlreichen Besucher nach hinten verschiebt, besucht er kurzerhand einige der heute stattfinden NA-Kurse. Mit 6,8 Fuß – rund 2,07 Meter – ist er von beeindruckender Körpergröße und ein überaus umgänglicher Mensch. Daneben packe ich meinen Kabinenkoffer für den New York Field Trip, der morgen nach den Vorlesungen um 17:00 Uhr beginnt. Insgesamt drei Reisebusse sind gechartert, um die Session dorthin zu bringen. Ich denke, dass wir zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr im Hotel sein müssten. Für den Samstag und Sonntag ist ein umfangreiches Programm vorgesehen: Vorträge im NYPD-Headquarter, Special Operations Division, Gemeinsames Dinner mit Vertretern des NYPD – Für all das und mehr stehen rund 40 Stunden zur Verfügung.

Vince Dalfonzo bespricht am Vormittag eine der zahlreichen Aufgaben, die wir kontinuierlich zu lösen haben und ich merke an den Ergebnissen, dass mir die Erfahrung aus der Verhandlungsgruppe sehr positiv in die Karten spielt. Trotz des New York – Wochenendes bedarf es auch am kommenden Dienstag der Vorlage eines weiteren Papieres, das auf der Auswertung der On-scene Communication einer so genannten Victim Barricade-Situation (in Deutschland würde man wahrscheinlich Bedrohung im häuslichen Bereich dazu sagen) basiert und in dessen Fokus die Extraktion von über 60 statistischen Merkmalen der Gesamtsituation zu liegen hat. Statistiken spielen in den USA – nicht nur im Sport – eine herausragend wichtige Rolle, sie bestimmen mitunter maßgeblich Verhandlungsführung und taktisches Vorgehen in Lagen mit hohem Gefährdungspotential.

In Forensics geht es heute um Explosives Examinations & Post Blast Investigations. Buddy McGinnis‘ Präsentation ist ein Rückblick auf nahezu alle fatalen Bombenattentate der vergangenen rund 30 Jahre, an deren Aufklärung die Forensics Unit des FBI beteiligt war. Pan American Flight 103, der 1988 über dem schottischen Lockerbie zur Explosion gebracht wurde, hatte beispielsweise eine Crime Scene, die über 800 Quadratmeilen groß war. Zwei Jahre später liefert ein Splitter von der Größe eines Fingernagels den entscheidenden Hinweis zur Identifizierung der Verantwortlichen!

Ph.D. Larned thematisiert heute die Problematik „Suicide by Cops“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Suicide_by_cop) aus Führungssicht. Auch in Deutschland kommt dieses Phänomen immer wieder vor, die Folgen für die damit konfrontierten Kolleginnen und Kollegen sind aus naheliegenden Gründen außerordentlich belastend.

Ich werde die Eindrücke des New York Field Trips am Sonntag Abend auf der Rückreise aufbereiten.

Field Trip New York City

19.02.2016

Vor der Fahrt nach New York ist zunächst ein langer Vorlesungstag zu bewerkstelligen, bis um 16:00 Uhr dauert der fachliche Input. Der Start in den letzten Tag vor dem Wochenende gebührt E. J. O’Malley, der ungewöhnlich lange (fast eine Stunde) heute insbesondere zu Nahrungsergänzungsmitteln und zur langfristigen (Nicht)Wirksamkeit bestimmter Crash-Diäten vorträgt. Für den praktischen Teil bleibt vergleichsweise wenig Zeit, weshalb er ein Kurzzeitworkout mit Elementen des Boxens aus dem Hut zaubert, das seinen sonstigen Bemühungen, die Session sportlich zu fordern, in nichts nachsteht. Den zweiten Teil des Vormittags nutzen einige Teilnehmer von Mike VanMeters Leading At-Risk Employees für ihre Präsentationen, die Teil der Prüfungsleistung sind. Ich werde am kommenden Freitag zur Art und Weise der Umsetzung der Dienstvereinbarung Sucht in der Polizei Baden-Württemberg referieren.

Ph.D. Sean Larned beschäftigt uns im Bereich Stress Management heute mit „Building Resilience“. Ganz konkret geht es um Strategien zum Aufbau von Stressresistenz im Alltag. Buddy McGinnis Jr. Schließt die Woche 6 mit einer Case Study, Thema ist ein bis heute nicht geklärter Mord an einer Sechsjährigen (der Fall sorgte in den USA für erhebliches Aufsehen). Immer wieder rückt er dabei die forensische Beurteilung von Handschriften in den Mittelpunkt seines Vortrages, da ein Erpresserschreiben in diesem Mordfall eine entscheidende Bedeutung hat. Den tatsächlichen Schlusspunkt bildet eine Videopräsentation zum Fortgang der Tatortarbeit, nachdem die Trümmer des World Trade Centers geräumt waren. Lange Zeit haben Forensiker des FBI Stein für Stein der Zwillingstürme umgedreht, um menschliche Überreste oder Besitztümer der Opfer zu bergen.

Um Punkt 17:00 Uhr verlassen drei Reisebusse das Gelände der FBI Academy und die Base, um die Ostküste hoch bis nach New York City zu fahren. Fachlich im Vordergrund wird vor allem ein Thema stehen: Das legendäre New York Police Department (http://www.nyc.gov/html/nypd/html/home/home.shtml).

Der Verkehr im Großraum Washington steht, so mein subjektiver Eindruck, dem Stuttgarts in nichts nach und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis die Kolonne in Fahrt kommt. Ab Maryland läuft dann alles vollkommen problemlos und ab der Staatsgrenze zu New Jersey werden wir mit Sondersignal über eine Strecke von rund 100 Meilen sogar eskortiert. Um 22:30 Uhr befindet sich mein Koffer auf dem Zimmer des Hotels in der Park Avenue und ich wieder auf der Straße. Zu siebt begeben wir uns, vorbei am Rockefeller Center, auf den Times Square, der vor Menschen und Energie förmlich bebt. Nach einem kleinen Imbiss zu später Stunde hallt der erste Abend in der Metropole in einem Irish Pub mit Livemusik und vielen Gesprächen lange nach, so dass ich erst gegen 03:00 Uhr ins Bett komme. Immer wieder treffen wir auf Gruppen von Sessionangehörigen, die das Pulsieren der 8,4 Millionen Einwohner zählenden Weltstadt ebenfalls durch eigenes Erleben erfahren wollen.

19. / 20.02.2016

Augenblicklich ist es Sonntag gegen 17:30 Uhr Ortszeit, ich sitze in einem Reisebus gegenüber dem Gebäude 100 Barclay unmittelbar unter dem Freedom Tower und versuche, die bislang sicherlich interessantesten beiden Tage an der NA gedanklich so zu straffen, dass meine Beschreibung keine epischen Züge annimmt. Vorab: Dies fällt nicht leicht! Die Eindrücke der vergangenen rund 40 Stunden waren wirklich spektakulär und das NYPD hat Außerordentliches geleistet, um den Teilnehmern der 263. Session der FBI NA das Law Enforcement in den Dimensionen, die hier benötigt werden, zu verdeutlichen. Immer wieder werden uns zahlreiche Türen geöffnet, die einem normalerweise, wenn man sich diese Stadt erschließen möchte, verschlossen bleiben. Ich versuche, nachfolgend die wesentlichen Highlights in den Mittelpunkt meiner Berichterstattung zu rücken.

Der Samstag beginnt um 09:30 Uhr mit einer Besichtigung der Special Operations Division (SOD) des NYPD, die auf dem an der Jamaica Bay gelegenen Floyd Bennett Field beheimatet ist. Über Little Italy, Chinatown und Brooklyn geht es durch einen Verkehr, der sich niemals beruhigt oder verändert. Nach weit über einer Stunde sind wir erst vor Ort und können die verschiedenen Einsatzmittel und Spezialeinheiten, -kräfte und -dienststellen des NYPD aus nächster Nähe kennenlernen, vom SWAT-Team über Polizeihunde bis hin zu Pferden ist alles vertreten. Zahlreiche Luft- und Landfahrzeuge sind zu besichtigen und überall stehen New Yorker Kollegen für fachlichen Austausch und Fragestellungen bereit. Die Leistungsfähigkeit des NYPD – SWAT-Teams wird uns in mehreren praktischen Vorführungen, auch unter Einsatz von Hubschraubern, verdeutlicht. In Form eines rustikalen „Hangar – Lunch“, das in der Hubschrauberhalle gereicht wird, sorgt die SOD auch vorbildlich für das körperliche Wohlergehen ihrer Gäste.

Das Highlight des Nachmittages ist die Führung im Hauptquartier der New Yorker Polizei am One Police Plaza, die durch zahlreiche kleine Fachvorträge noch intensiver wird. Ich erhalte insbesondere Gelegenheit, das Jack Maple CompStat Center (CompStats sind eine Form der gestrafften Lagedarstellung zur Optimierung operativer Maßnahmen im Bereich Kriminalitätsbekämpfung), den Pressekonferenzraum des NYPD (alle großen Zeitungen, Fernseh- und Radiostationen unterhalten innerhalb des NYPD HQ eigene Büros) und vor allem aber das Joint Operations Center zu besichtigen. Letzteres ist die beim NYPD zur Bewältigung von Großlagen eingerichtete Einsatzzentrale, die in ihren Dimensionen und in ihrer technischen Ausstattung alles übertrifft, was ich diesbezüglich bislang gesehen habe. Der gesamte Raum ist von interaktiven Wänden umgeben, die sich (auch mobil) per App steuern lassen. Vom Flugradar über den Standort jedes einzelnen Polizeiwagens (inklusive vielfältigster Telemetrie-Daten eineschließlich der Namen der Besatzung und des Tankstatus) bis hin zu den Bildern der mehr 8.500 Kameras, die sich in New York im öffentlichen Raum befinden – alles lässt sich ansteuern, auswerten und letztlich bewerten. Aktuell getestet wird eine akustische Gunshot – Detection: Das System detektiert Schussabgaben innerhalb des Stadtgebietes, analysiert den empfangenen akustischen Impuls in Echtzeit und löst gegebenenfalls einen Alarm aus. 911 Calls, die bei Milieuauseinandersetzungen oft unterbleiben, werden so verzichtbar, das NYPD ist stets selber Herr der Lage. Einer besonderen Erwähnung bedarf auch der Imagefilm des NYPD, in welchem James Earl Jones, der in der Star Wars – Saga dem Sith-Lord Darth Vader seine amerikanische Synchronstimme verlieh, als Sprecher fungiert (https://de.wikipedia.org/wiki/James_Earl_Jones). Daneben ist er ein passabler Schauspieler, aus meiner Sicht zu erwähnen ist insbesondere seine Rolle als Admiral James Greer in der Verfilmung von Tom Clancy’s „Jagd auf Roter Oktober“, in der Sean Connery als sowjetischer U-Boot-Kapitän Marko Ramius besticht.

Im NYPD, das bei genauerer Betrachtung im Grunde nichts weiter ist als eine City Police, arbeiten rund 35.000 Polizisten – etwa 10.000 mehr als in ganz Baden-Württemberg. Commissioner William Joseph Bratton, seines Zeichens Leiter des NYPD, verfügt über einen Haushalt in Höhe von unglaublichen 4,3 Milliarden US-Dollar. Damit ist dieser in etwa halb so hoch wie der des FBI, der bei deutlich über 8 Milliarden Dollar liegt. Am Abend veranstaltet das NYPD ein Dinner bei Carmine’s, unmittelbar am Times Square gelegen (http://www.carminesnyc.com). Den Weg dorthin lege ich zu Fuß zurück, hierbei erfahre ich von Counselor Josh Mayers, vor seinem Wechsel zum FBI sechs Jahre lang Polizist in New York, dass während seiner Zeit dort (es waren die späten 1980er Jahre) pro Jahr unfassbare 500 Morde allein in Brooklyn zu verzeichnen waren. Demgegenüber haben sich Stadtbild und Sicherheitslage heute deutlich verändert. Seit den Anschlägen des 11.09.2001 genießen Polizei und Feuerwehr bei der New Yorker Bevölkerung überdies eine außerordentlich hohe Reputation. Highlight neben dem Essen bei Carmine’s an sich ist vor allem auch ein Auftritt der Emerald Society des NYPD (https://en.wikipedia.org/wiki/Emerald_Society), deren Bagpipes insbesondere die außereuropäischen Internationals verzücken.

Der Sonntag führt die Session nach Lower Manhattan und ist geprägt von Vorführungen sowie Vorstellungen rund um die Gesamtthematik 09/11, wobei in diesem Zusammenhang auch das Fire Department New York einen gewichtigen Teil des Programms gestaltet. Nach einer Kranzniederlegung der Session unter Einbindung der Honor Guard des NYPD am Ground Zero ermöglicht der Sicherheitschef des Freedom Tower, selbst Absolvent der NA, neben einem Einblick in die Sicherheitsarchitektur des Gebäudes vor allem auch Zugang zu einem im 64. Stockwerk gelegenen Observation Deck, von dem aus sich ein unvergleichlicher Ausblick über das Häusermeer und die benachbarten Wolkenkratzer entfaltet. Das 09/11 – Memorial (die beiden in ihren Dimensionen einzigartigen Brunnen befinden sich exakt an den beiden Stellen, an denen die World Trade – Zwilingstürme bis zum Morgen des 11. September 2001 standen) und vor allem das dazugehörige Museum bereiten das Ausmaß dieses unfassbaren Angriffs auf Amerika und westliche Werte eindrucksvoll auf. Interessant ist ein Phänomen, das sich auch in Deutschland gut beobachten lässt: Jeder Amerikaner kann sich mit nahezu photographischer Präzision daran erinnern, wo und unter welchen Umständen er am 11.09.2001 von den Terrorangriffen erfahren hat.

Wenn ich diese Zeilen nun online stelle, befinde ich mich inzwischen irgendwo auf der Interstate 95 in New Jersey, Fahrtrichtung Süden. Es ist dunkel und die Buskolonne bahnt sich ihren Weg durch die Nacht. Noch ungefähr zwei Stunden bis nach Quantico, die Zeit vergeht schnell beim Schreiben.

Ich habe in den vergangen beiden Tagen exakt 347 Bilder und Videos gefertigt und bitte um Nachsicht, dass ich diese erst aufbereiten muss. Eine Auswahl wird nachgereicht.

Fazit:

Morgen bricht das letzte Drittel des fachlichen Inputs an der NA an, die letzte Woche wird dann insbesondere von den Obliegenheiten rund um die Graduation bestimmt sein. Die Zeit der studentischen Vorträge und Präsentationen beginnt.

Erkenntnis der Woche: Ich muss dringend nochmal nach New York 🙂

Hell erleuchtetes Rockefeller Center bei Nacht.

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